Warum Fremdgehen nichts mit Sex zu tun hat ist zugegeben ein provokanter Titel. Und gleichzeitig ein Titel, hinter dem wir vollkommen stehen. Und zwar deshalb, weil es vor Aufnahme einer Außenbeziehung eine Vorgeschichte gibt. Aus unserer Erfahrung immer. Eine Vorgeschichte, in der sich Partner unbemerkt immer mehr voneinander entfernen. Vielleicht als Paar und Eltern noch gut miteinander funktionieren. Die herzliche Verbindung zwischen den beiden Erwachsenen aber fehlt. Oder die Bedürfnisse von einem oder beiden nicht befriedigt werden. In den meisten Vorgeschichten verhungert der eine Partner emotional, während sich der andere immer mehr zurückzieht. Vielleicht auch komplett überfordert ist. Es fehlt an Kontakt.
Eine Beziehung bedeutet, Zeit miteinander herzlich zu verbringen
Und gerade dieser Rückzug kann auf viele Arten und Weisen geschehen. Gerne wird sich in die Arbeit gestürzt. Klar, man will etwas zum Familienwachstum beitragen. Und trotzdem ist man immer weniger bei der Familie. Oder man hilft gerne in der Nachbarschaft aus. Besorgt sich zeitaufwändige Hobbies, die einen von zu Hause entführen. Oder Ehrenämter, die auch Zeit kosten. Es kommt auch vor, dass derjenige, der “draußen” ist, dann abends so fertig nach Hause kommt, dass er nur noch seine Ruhe braucht – Bett, Fernsehen, Tablet. Auch das sind “Fremdgänge”, weil ich nicht mehr bei meinem Partner, bei meiner Familie bin, sondern fremd unterwegs bin.
Und irgendwann orientiert sich auch der zurückgelassene Partner neu. Geht von innen nach außen. Und findet vielleicht dort jemanden, der mehr Herzens-Zeit mit ihm verbringen will und tatsächlich verbringt. Meistens der Zeitpunkt des Erwachens beim anderen. Der sich dann verdutzt die Augen reibt. Und übersieht, dass er ja die ganze Zeit ebenso “fremd” gegangen ist. Nicht Zeit mit dem anderen verbracht hat. Seine Fluchten genutzt hat. Und sein Ego befriedigt hat. Manchmal lohnt es sich, genau an diesem Punkt anzusetzen. Gemeinsam stehen zu bleiben. Zu schauen, wann denn die Entfremdung durch welche Maßnahmen begonnen hat. Gleichzeitig zu schauen, wie stabil die gemeinsame Basis noch ist. Die gemeinsame Schnittmenge, bei aller menschlichen Unterschiedlichkeit.
Um dann gute Wege zu finden. Jeder für sich als Erstes. Und vielleicht auch wieder einen gemeinsamen guten Weg.