Wenn Kinder das Elternhaus verlassen, geraten viele Paare in eine neue, oft ungewohnte Lebensphase. Der Alltag, der lange stark von elterlichen Aufgaben, Organisation und Fürsorge geprägt war, verändert sich abrupt. Zurück bleibt häufig ein Gefühl von Leere, manchmal auch Unsicherheit: Wer sind wir als Paar ohne unsere Elternrolle? Aus paartherapeutischer Sicht birgt diese Phase aber auch eine große Chance zur Erneuerung und Vertiefung der Beziehung.
Zunächst ist es hilfreich, diesen Übergang bewusst wahrzunehmen und nicht vorschnell mit Aktivitäten oder Verpflichtungen zu überdecken. Paare können innehalten und würdigen, was sie gemeinsam geschafft haben: die Kinder begleitet, Krisen bewältigt, ein Stück Lebensgeschichte geteilt. Diese Anerkennung schafft ein Fundament, von dem aus neue Schritte gegangen werden können.
Kinder aus dem Haus – Übergang planen
Ein zentraler Punkt ist die Neudefinition von Nähe und Distanz. Oft haben Partner über Jahre gelernt, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wieder zu spüren: Was brauche ich? Was wünscht du dir? In der Therapie wird hier häufig mit Methoden der emotionsfokussierten Paartherapie gearbeitet: Gefühle werden benannt, Bedürfnisse klar formuliert und in einem sicheren Rahmen gehört.
Ebenso wichtig ist es, gemeinsame Visionen zu entwickeln. Was möchten wir als Paar in den kommenden Jahren erleben? Reisen, neue Projekte, vielleicht auch Engagement in sozialen Feldern? Solche Perspektiven stärken das „Wir-Gefühl“ und eröffnen Räume für gemeinsame Freude. Parallel dazu darf auch die individuelle Entwicklung Platz haben – jeder Partner sollte sich ermutigt fühlen, eigene Interessen oder vergessene Leidenschaften wieder aufzugreifen. Das fördert Lebendigkeit und verhindert Abhängigkeit.
Nicht zuletzt ist die Intimität ein zentrales Feld. Körperliche Nähe und Sexualität können neu entdeckt werden, befreit vom Druck elterlicher Aufgaben. Hierbei geht es weniger um Perfektion, sondern um Neugier und spielerische Offenheit.
Langjährige Paare tun gut daran, diese Übergangsphase nicht als Verlust, sondern als Einladung zur bewussten Neugestaltung zu verstehen. Mit ehrlicher Kommunikation, gegenseitigem Respekt und dem Mut, neue Wege zu gehen, kann eine Beziehung nicht nur stabil bleiben, sondern an Tiefe und Lebendigkeit gewinnen.



